Experteninterview: Inklusion im Ausbildungsbetrieb
Barrieren in der Ausbildung überwinden
Mattis Harpering ist Bäckermeister der Bäckerei Backpfeife. Im Gespräch erzählt er, wie die Ausbildung seines gehörlosen Auszubildenden verlaufen ist und gibt Tipps, was Eltern tun können, damit die inklusive Ausbildung ihres Kindes erfolgreich wird.
planet-beruf.de: Sie haben einen gehörlosen Azubi ausgebildet. Wie kam es dazu, dass Ihre Bäckerei ein inklusiver Betrieb wurde?
Mattis Harpering: Das war mehr Zufall. Wir kannten unseren Azubi, Wael, schon, da er vorher bei einer inklusiven Putzfirma bei uns in der Nähe gearbeitet hat. Sein Chef kam auf mich zu und hat ihn mir empfohlen. Er wollte schon immer Bäcker werden und hatte große Lust darauf. Er war uns sympathisch und dann haben wir ihm die Möglichkeit zur Ausbildung gegeben.
planet-beruf.de: Wie lief die Kommunikation am Anfang? Gab es Probleme oder Einfluss auf den Berufsalltag?
Mattis Harpering: In der Gebärdensprache hatte ich keine Vorkenntnisse. Dadurch war es am Anfang herausfordernd. Wir haben viel mit einer Gebärdensprachdolmetscherin zusammengearbeitet. Zu Beginn hat sie mir Rudimentäres beigebracht, zum Beispiel "hoch" oder "runter". Das Schöne beim eigentlichen Arbeiten ist, dass die Kommunikation mehr nonverbal abläuft. Es funktioniert mehr über das Abschauen und Nachmachen. Nach und nach haben wir Wort für Wort gelernt. Trotzdem gab es Schwierigkeiten, da Missverständnisse einfach passieren, gerade wenn Emotionen im Spiel sind. Es wird dann schwieriger zwischenmenschliche Themen zu verstehen und zu erklären. Aber er ist sehr fleißig und arbeitswillig, was dazu beigetragen hat, Probleme zu lösen.
planet-beruf.de: Wie werden Sie als Betrieb und Ihr Auszubildender unterstützt?
Mattis Harpering: Wir haben eine Gebärdensprachdolmetscherin vom Inklusionsamt zur Unterstützung bekommen, welche regelmäßig zu uns kommt. Die Kosten dafür und der Ausbildungslohn wurden von der Agentur für Arbeit übernommen. Wael hat für die Berufsschule ebenfalls eine Dolmetscherin erhalten. Sie ist mit ihm in die Schule gegangen und hat übersetzt. Das Schulische war die größte Herausforderung. Inhalte und Fachbegriffe sind besonders schwer zu vermitteln, da es manche Wörter nicht in der Gebärdensprache gibt.
planet-beruf.de: Mussten Sie für seine Ausbildung Maßnahmen treffen, wie Anpassungen des Arbeitsplatzes?
Mattis Harpering: Auch da gab es Schwierigkeiten, weil er zum Beispiel nicht hört, wenn der Ofen piept. Wenn ein Problem aufgetreten ist, haben wir immer eine Lösung gefunden. Wir haben blinkende Wecker eingeführt oder ihm eine Smartwatch gegeben, die vibriert. Es ging meist um pragmatische Dinge, wobei uns das Inklusionsamt unterstützt hat. Dort gibt es einen eigenen Bereich dafür. Entsprechend muss man immer eine Lösung finden, aber das wurde nie zu einem großen Problem.
"Es ist wichtig einen Betrieb zu finden, der offen dafür ist, wenn ein solcher junger Mensch auf sie zukommt."
(Mattis Harpering)
planet-beruf.de: Welche Tipps können Sie Eltern geben, damit eine inklusive Ausbildung gelingen kann? Wie können Sie einen passenden Betrieb finden?
Mattis Harpering: Eine gute Anlaufstelle sind Handwerkskammern, Inklusionsämter oder die Agentur für Arbeit. Dort können sich inklusive Betriebe anmelden und Eltern haben so die Möglichkeit, ein Unternehmen zu finden.
Den jungen Menschen mit Behinderungen muss man zeigen, dass es machbar ist. Sie müssen mutig sein und es einfach versuchen. Wael meint, dass es oft daran scheitert, dass die Menschen sich nicht trauen, aber mit ein wenig Mut schafft das jeder. Eltern müssen während der Ausbildung dranbleiben und prüfen, ob das Unternehmen weiterhin passt. Wenn es nicht funktioniert, muss man etwas ändern. Es ist wichtig einen Betrieb zu finden, der offen dafür ist, wenn ein solcher junger Mensch auf sie zukommt.
Beratung für berufliche Rehabilitation und Teilhabe
Wenn Sie Fragen haben oder mehr zum Thema erfahren möchten, wenden Sie sich an die Beratung für berufliche Rehabilitation und Teilhabe.
Stand: