Experteninterview: Probleme in der Schule - was können Eltern tun?
Mit dem Kind in Kontakt bleiben
Cornelia Werner:
Leiterin der Caritas-Familienberatungsstelle Leipzig
planet-beruf.de: Die Beratungsstelle der Caritas unterstützt unter anderem auch Eltern, deren Kinder den Schulbesuch verweigern. Welche Probleme haben diese Eltern mit ihren Kindern?
Cornelia Werner: Die Eltern berichten zum Beispiel, dass die Kinder morgens nicht aus dem Bett kommen oder diese häufig über Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen klagen, die sich schwer diagnostizieren lassen. Das sind erste Warnsignale. Bis zu einem echten Schulabbruch ist es meist ein längerer Weg: Anfangs gehen die Jugendlichen einfach nur immer seltener in den Unterricht. Dann machen sie keine Hausaufgaben mehr, lernen nicht mehr für Klausuren und kommen mit schlechten Noten nach Hause. Manche Jugendliche wollen überhaupt nicht mehr zur Schule gehen. Das sind dann meistens schon die 15- oder 16-Jährigen.
planet-beruf.de: Was sind die Gründe für Schulmüdigkeit bzw. Schulverweigerung?
Cornelia Werner: Die Ursachen für Schulmüdigkeit liegen unserer Erfahrung nach nicht nur in der Schule selbst, sondern auch im familiären Umfeld. Oft erleben wir, dass die Jugendlichen aufgrund von familiären Konflikten wenig Rückhalt von ihren Eltern bekommen. Also bekommen sie auch bei Problemen, die es in der Schule gibt, keine Unterstützung. Die Gefahr der Schulmüdigkeit steigt. Da greift vieles ineinander. Es kann sein, dass der Freundeskreis des Kindes wenig Wert auf Schulerfolg legt. Dann ist Schule uncool, dann ist Lernen uncool und dann sinkt auch die Motivation, sich mit der Schule auseinanderzusetzen. Viele Jugendliche haben auch einfach Angst vor Beurteilung oder Verurteilung, oder sie werden gemobbt. In letzter Zeit ist zu beobachten, dass soziale Medien, z.B. Klassenchats, die Ausgrenzung einzelner Jugendlicher noch verstärken. Während der Coronazeit haben viele Jugendliche den Anschluss verpasst und waren durch Homeschooling in einer sensiblen Lebensphase isoliert. Die Rückführung in die Klasse gelingt nach wie vor nicht immer - auch das drückt sich in Schulunlust oder Schulangst aus.
planet-beruf.de: Gibt es weitere Warnsignale, die auf einen Schulabbruch oder komplette Schulverweigerung hinweisen?
Cornelia Werner: Natürlich gibt es immer eine gewisse Schulunlust. Aber wenn es so weit kommt, dass die Eltern ihr Kind tatsächlich zur Schule begleiten müssen, weil es das alleine nicht schafft, dann ist das schon ein Warnsignal. Wenn Eltern von den Lehrkräften hören, dass ihre Kinder keine Hausaufgaben mehr machen oder nie in der Schule mitarbeiten, dann sollten sie alarmiert sein. Genauso, wenn das Kind dauernd erschöpft ist und Desinteresse an allen schulischen Themen zeigt.
"Plötzlich ist das Kind ständig früher zu Hause und behauptet, der Unterricht würde ausfallen. Daran können Eltern erkennen, dass etwas nicht stimmt."
(Cornelia Werner)
planet-beruf.de: Was können Eltern tun, um zu verhindern, dass sich ihr Kind immer weiter von der Schule entfernt?
Cornelia Werner: Wir sagen den Eltern immer wieder: Zeigen Sie Interesse an Ihrem Kind! Schaffen Sie Zeitfenster, in denen Sie mit Ihrem Kind sprechen können, zum Beispiel im Rahmen von regelmäßigen Mahlzeiten. Sobald Eltern erkennen, dass ihr Kind immer weniger zur Schule geht, sollten sie als erstes in Kontakt mit den Klassenlehrern, den Beratungslehrkräften oder Schulsozialarbeitern treten. Unterstützung finden Eltern auch beim Kinderarzt oder in speziellen Familienberatungsstellen wie der unseren. Je älter die Kinder werden, desto schwieriger wird es, sie zurück in die Schule zu bekommen. Da kommen wir als Familienberatungsstelle auch oft an die Grenzen. Dafür gibt es aber spezielle Schulverweigerungs-projekte, die inzwischen viele Städte haben.
planet-beruf.de: Wie können Eltern wieder mehr Handlungssicherheit im Umgang mit ihren schulmüden Kindern gewinnen?
Cornelia Werner: Viele Eltern fühlen sich in dieser Situation hilflos. Wir versuchen aufzuzeigen, wo sie tatsächlich ansetzen können. Manchmal verlieren die Eltern vor lauter Problemen den Blick für das, was ihre Kinder gut können. Meistens gibt es irgendetwas, wo auch die Eltern sagen: "Ja, stimmt! Das schafft mein Sohn/meine Tochter." Darauf kann man aufbauen. Es geht auch darum, angemessen mit den Kindern zu sprechen. Immer nur den Misserfolg zu sehen und den Kindern die Schuld zuzuweisen, erhöht nur den Druck. Eltern sollten ihren Kindern zeigen, dass sie und ihre Zukunft ihnen wichtig sind.
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