Experteninterview: Umgang mit Prüfungsangst
Selbstvertrauen als Schlüssel zum Erfolg
Als Diplom-Psychologe leitet Tobias Uhl u.a. Workshops zum Thema Prüfungsvorbereitung. Im Interview erklärt er, wann eine Prüfungsangst wirklich vorliegt, wie man sie bewältigen kann und macht außerdem Mut.
Tobias Uhl:
Diplom-Psychologe
planet-beruf.de: Herr Uhl, was genau ist Prüfungsangst und was ist der Unterschied zu Nervosität bzw. Lampenfieber?
Tobias Uhl: Prüfungsangst ist die Angst, bei einer Prüfung zu versagen bzw. nicht die notwendige Leistung zu erbringen, um zu bestehen. Und das trotz guter Vorbereitung. Oft wird Prüfungsangst generell als Nervosität oder Lampenfieber vor einer Prüfung angesehen, z.B. aufgrund einer schlechten Vorbereitung. Psychologisch gesehen besteht Prüfungsangst aber erst dann, wenn jemand wirklich gut vorbereitet ist und trotzdem während der Prüfung so aufgeregt ist, dass er oder sie blockiert.
planet-beruf.de: Welche Folgen bringt Prüfungsangst mit sich?
"Selbstvertrauen ist mit das beste Mittel gegen Prüfungsangst."
(Tobias Uhl)
Tobias Uhl: Das können physische Folgen wie Schwitzen oder Zittern sein. Außerdem geistige Auswirkungen wie Konzentrationsprobleme und im Extremfall ein Blackout während der Prüfung. Fragen werden dann nicht richtig gelesen und so das Thema verfehlt oder die Zeit außer Acht gelassen.
planet-beruf.de: Wie können Eltern ihre Kinder bei der Bewältigung von Prüfungsangst unterstützen?
Tobias Uhl: Selbstvertrauen ist mit das beste Mittel gegen Prüfungsangst. Eltern sollten ihre Kinder dahingehend unterstützen, indem sie diese dazu ermutigen, eigenständig zu lernen und sich generell selbständig neuen Herausforderungen zu stellen. Ein wichtiger Punkt ist Eigenverantwortung. Wenn Kinder oder Jugendliche selbstständig ein Problem lösen, also Eigenverantwortung haben, dann steigert das ihr Selbstvertrauen. Natürlich kann man bei Problemen auch in der näheren Umgebung nachfragen, aber zuerst sollten die Kinder ein Problem selbst zu lösen versuchen, bevor sie nachfragen.
planet-beruf.de: Gibt es Strategien und Übungen, wie man Prüfungsangst überwinden kann?
Tobias Uhl: Wichtig ist es, zunächst bei der Prüfungsvorbereitung anzusetzen. Ein Lern- und Zeitplan sind hierbei hilfreich, um eine zu späte Vorbereitung zu vermeiden. Es gibt psychologische Lerntechniken, wie das Erstellen von Mindmaps. Dadurch können wir Informationen so abspeichern, dass wir sie gezielt abrufen können, wenn wir sie wirklich brauchen. Atemtechniken und Meditationen im Alltag helfen beispielsweise bei starker Nervosität und beruhigen die Gedanken.
planet-beruf.de: Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Eltern und ihre Kinder in besonders schwierigen Fällen?
Tobias Uhl: Um fachliche Lücken zu schließen, sind Lernhilfen wie Übungsbücher und Videokurse sinnvoll. In Lerncoachings wird vermittelt, wie richtiges Lernen funktioniert, sodass eine gute Vorbereitung auf die Prüfung möglich ist. Wenn es sich tatsächlich um eine Phobie im Sinne einer Angststörung handelt, ist eine Psychotherapie notwendig. Hypnose ist eine Möglichkeit, um tieferliegende Glaubenssätze zu bearbeiten. Das kann ebenfalls helfen. Eltern sollten ihrem Kind jedoch keine Mittel zur Beruhigung verabreichen, da das Gehirn dadurch in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird. In einer Prüfung muss man geistig fit und aufmerksam sein, um Leistung zu erbringen und da wirken sich Beruhigungsmittel negativ aus.
planet-beruf.de: An welche Ansprechpartner/innen bzw. Beratungsstellen können sich Eltern in einer solchen Situation wenden?
Tobias Uhl: Zunächst an den Vertrauenslehrer der Schule. Oder wenn das Kind schon in der Ausbildung ist, an den jeweiligen Ausbilder bzw. bei einem größeren Betrieb an die Personalabteilung. Man kann sich zudem an öffentliche Stellen wenden. Beratungsangebote gibt es im jeweiligen Landkreis und der jeweiligen Stadt. Die Schulpsychologische Beratungsstelle bietet sich als gute Anlaufstelle an. Und wenn sich die Situation trotz allem nicht verbessert, können Eltern direkt einen Psychotherapeuten aufsuchen oder sich hierfür an den Hausarzt wenden.
planet-beruf.de: Vielen Dank, Herr Uhl. Was können Sie Eltern und Erziehungsberechtigten abschließend noch mit auf den Weg geben?
Tobias Uhl: Zuerst sollten Eltern gemeinsam mit ihren Kindern herausfinden, ob überhaupt eine "echte" Prüfungsangst vorliegt. Erst wenn das der Fall ist, sollten sie die nächsten Schritte einleiten. Die gute Nachricht: Wenn die Kinder wissen, wie sie richtig lernen und auch rechtzeitig damit anfangen, dann verfliegen die meisten Sorgen ganz von allein.
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